Sie liebte es, auf der anderen Seite der Brücke zu spielen. Als ältestes von vier Kindern – drei Mädchen und ein Junge – spielte sie “comadritas”, vor allem mit ihrer zweitältesten Schwester..
Dieses Spiel war eine reine Erfindung von ihnen und, damit haben sie sich Stundenlang beschäftigt. Das Spiel war nichts anderes als Plaudern, Geschichten erzählen und Hin und Her über die Brücke ‹zu flanieren› als wäre die schönste Promenade der Welt. Wie bei den erwachsenen Frauen. Aber sie hatten ihre Puppen dabei. Unter der Brücke floss ein kleiner Bach.
Das Haus ihrer Kindheit lag ausserhalb der Stadt, umgebend von wilden Pflanzen und Tieren. Grün und Tropisch. Man konnte sie von der Hauptstrasse aus sehen, wenn man auf dem Weg zur guatemaltekischen Grenze an ihr vorbeifuhr. Ein grosses, weiss bemaltes Haus mit einem grossen Garten. Die Brücke diente als Eingang zum Haus.
Sie verbrachte aber auch viele Nachmittage mit den Freundinnen. Dann haben sie ein anderes Spiel: wer ist die beste Prima Ballerina. Alle standen auf die Zehenspitzen mit ihren Dr. Scholl Holzsandalen, die hatten dunkelblauen Riemen vorne und hinten bei den Fersen eine Art Schutz, so dass die Ferse gut passten. Hin und Her liefen alle auf Zehenspitzen und taten so, als wären sie die Primaballerina des Bolshoi-Balletts. Sie alle machten unter Tere und Andrea’s forschenden Blick -die langjährige Hausangestellte- Révérence. Arme hoch. Arme runter. Fussspitzen erheben. Fussspitzen runter. Pas. Pas de Deux. Plié. Plié squats in first position. Plié squats in second position. Bauch einziehen, offener Brust. Gerade Rücken. Penché. Tere und Andrea, beide Schwestern, waren immer dabei und hatten und hatten viel Spass mit den Mädchen. Andrea zeigte beim Lachen die Lücken in ihren Zähnen.
Sie liebte ihre Dr. Scholl Sandalen. Es waren die besten Ballerina Schuhe. So verbrachte sie die Nachmittage, nach der Schule und nachdem die Sonne fast verschwunden war und nicht mehr so heiss war. Bei der Dämmerung war die Sonne nur noch als eine kleine Erinnerung da und die Frische Luft hatte ihr Gesicht gestreichelt und ihre kurze, glatte Haare gestreut.
Ach ja, sie und ihre zweite Schwester hatten auch von Zeit zu Zeit Wettrennen. Sie liefen die gesamte Länge der Brücke von einer Seite zur anderen und X-mal und schlossen eine Wette ab: Wer würde den Nachmittag gewinnen? Manchmal hatte der eine, manchmal die andere gewonnen. Jedenfalls gingen die beiden Schwestern am Abend ziemlich müde ins Bett.
Die Brücke schien ihr damals ziemlich gross und lang, zumindest für ihr Vorhaben. Je älter sie wurde, desto kleiner schien ihr so. Trotzdem, ist die Brücke ein Bestandteil ihrer Kinderspiele gewesen. Die Brücke ihrer Kindheit.
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